Abstimmungen vom 17. Juni 2012: Drei Abstimmungsvorlagen mit falscher Etikette

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Écrit par Pietro Cavadini

Die drei Abstimmungsvorlagen, über die wir am 17. Juni abstimmen werden, haben eines gemeinsam: Auf ihnen klebt eine falsche Etikette. Die Initiative „Für die Stärkung der Volksrechte in der Aussenpolitik (Staatsverträge vors Volk!)“ der rechtslastigen AUNS verspricht mehr Demokratie in der Aussenpolitik – tatsächlich bringt sie jedoch einen Demokratieabbau. Die Initiative „Eigene vier Wände dank Bausparen“ des Hauseigentümerverbandes verspricht eine Förderung des Wohneigentums für den Mittelstand – tatsächlich ist sie jedoch eine Steuersparinitiative für die Besserverdienenden. Und die Managed Care-Vorlage von Bundesrat und Parlament verspricht Einsparungen und eine Effizienzsteigerung im Gesundheitswesen – tatsächlich stärkt sie nur die Macht der Krankenkassen und macht die freie Arztwahl zu einem Privileg der Reichen. Der schweizerische Gewerkschaftsbund empfiehlt, alle drei Etikettenschwindel-Vorlagen abzulehnen.

Beginnen wir ganz rechts, bei der AUNS-Initiative: Bereits heute kann das Volk über alle wichtigen Staatsverträge abstimmen, wenn dagegen das fakultative Referendum ergriffen wird. Die Initiative der AUNS will jetzt aber alle Staatsverträge dem obligatorischen Referendum unterstellen. Das bringt nicht wie von der AUNS behauptet mehr sondern weniger Demokratie. Staatsverträge müssten dann nämlich – im Gegensatz zum heutigen fakultativen Referendum – die zusätzliche Hürde des Kantonsmehrs nehmen. Das würde nicht nur die Stellung der Kantone überbetonen und ihnen zu viel Sperrpotential verleihen. Es hätte auch zur Folge, dass der demokratische Grundsatz „eine Person, eine Stimme“ nicht gilt, weil die Stimmkraft eines oder einer Stimmberechtigten in einem kleinen Kanton wegen des Ständemehrs mehr zählt als diejenige von Stimmberechtigten, die in einem grossen Kanton leben. Betroffen vom Abstimmungsautomatismus wären zudem auch Vereinbarungen mit der Internationalen Arbeitsorganisation IAO, die für die Gewerkschaften besonders wichtig sind. Ausserdem führte der Abstimmungszwang zu einer Zunahme der Zahl unnötiger Abstimmungen, weil die meisten Staatsverträge völlig unbestritten sind. Man wird den Verdacht nicht los, dass es der AUNS weniger um die Demokratie in der Aussenpolitik geht, als vielmehr darum, sich die Mühe zu ersparen, jeweils 50'000 Unterschriften sammeln zu müssen, wenn sie einen ihr unliebsamen Staatsvertrag bekämpfen will. Also eine im doppelten Sinne des Wortes faule Initiative, die ein deutliches Nein verdient.

Schon wieder: Steuerspartrickli für die Besserverdienenden

Die Sturheit mit der der schweizerische Hauseigentümerverband und seine bürgerlichen Verbündeten ihre eigennützigen Ziele verfolgen, ist fast schon bewundernswert. Da kann das Schweizer Volk noch so oft Nein sagen zu den diversen Steuerspartrickli unter dem Titel Wohneigentumsförderung, das hindert sie nicht daran, immer wieder neue Vorlagen und Initiativen zu produzieren, mit denen Hauseigentümer oder potentielle Hauseigentümer mit hohem Einkommen Steuern sparen können. Der neueste Coup ist die Volksinitiative „Eigene vier Wände dank Bausparen“. Sie verlangt die steuerliche Privilegierung von Bauspareinlagen für den erstmaligen Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum in der Schweiz (maximal 10‘000 Franken jährlich, Ehepaare das Doppelte) während zehn Jahren. Sogar der Bundesrat kommt in seiner Botschaft zum Schluss: „Von der Einführung steuerlich abzugsfähiger Bauspareinlagen profitieren in erster Linie Steuerpflichtige, die über ausreichend Mittel verfügen, jedoch auch ohne Bausparen in der Lage sind, in den Genuss von selbstgenutztem Wohneigentum zu kommen.“ Dem ist nichts mehr hinzuzufügen – ausser einem klaren Nein am 17. Juni an der Urne.

Freie Arztwahl verlieren? Nein danke!

Die Managed Care-Vorlage, auf die an anderer Stelle in diesem Newsletter näher eingegangen wird, schafft de facto die freie Arztwahl für Klein- und Normalverdiener ab. Wer weiterhin seinen Arzt frei wählen will, muss mehr bezahlen. Zudem stärkt die Vorlage die Macht der Krankenkassen und erhöht das Risiko, dass künftig medizinische Leistungen nur noch nach ökonomischen Kriterien erbracht oder verweigert werden. Der schweizerische Gewerkschaftsbund empfiehlt zusammen mit der Mehrheit der im Gesundheitswesen Arbeitenden, die Vorlage abzulehnen.

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Daniel Lampart

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