Nein zu höheren Franchisen und Knebelverträgen!

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Écrit par Reto Wyss

Wir müssen die Krankenkassenlobby stoppen.

Kaum irgendwo ist die Krankenversicherung unsozialer finanziert als in der Schweiz, und nirgendwo die direkte Kostenbeteiligung der Versicherten höher. Der SGB will eine solidarische Finanzierung: Gesundheit muss für alle bezahlbar bleiben.

Zwar werden die Prämien nächstes Jahr weniger stark steigen, als wir von den letzten Jahren gewohnt sind. Doch die vom Bundesamt für Gesundheit veröffentlichte mittlere Zunahme von nur 1.2 Prozent kann gar nicht mit den Vorjahren verglichen werden: Das BAG rechnet neu mit der Durchschnittsprämie der tatsächlich gewählten Versicherungsmodelle, und nicht wie bis anhin mit der Standardprämie (300 Franken Franchise, freie Arztwahl). Letztere steigt nächstes Jahr nicht um 1.2, sondern um 2.7 Prozent.

Nun ist es durchaus sinnvoll, bei der Prämiensteigerung nicht nur die Standardprämie zu betrachten. Denn heute wählen nicht einmal mehr 20 Prozent der Versicherten das Modell mit freier Arztwahl und 300 Franken Franchise. Das Problem ist allerdings, dass der Wechsel zum Blick auf den Anstieg der effektiven Prämien die möglichen Kostenfolgen für die Versicherten komplett kaschiert. Wer nämlich eine Franchise von 2500 Franken gewählt hat, kann zwar zunächst mit einer leicht tieferen Prämienzunahme rechnen. Im Krankheitsfall nützt das aber nichts, weil dann die ersten 2500 Franken Behandlungskosten direkt aus dem eigenen Sack berappt werden müssen. Das macht nicht nur den geringeren Prämienanstieg zunichte, sondern auch den Vorteil der wegen der hohen Franchise tieferen Prämie. Die Gesundheit wird so für viele in der Schweiz ein doppelt riskantes Gut: Werden sie krank, leiden sie sowohl unter den gesundheitlichen als auch unter den finanziellen Folgen der Krankheit.

Sonderfall Schweiz

Im Unterschied zu fast allen westeuropäischen Ländern, finanziert die Schweiz ihre Grundversicherung über unsoziale Kopfpauschalen statt über einkommensabhängige Lohnbeiträge oder aus Steuermitteln. Und in keinem Land der OECD ist hinaus die direkte Kostenbeteiligung der Versicherten höher (u.a. sind dies die oben erwähnten hohen Franchisen). Trotz obligatorischer Versicherung müssen wir fast 30 Prozent der Gesundheitsausgaben aus dem eigenen Sack bezahlen.

Und nun will die von der Krankenkassenlobby dominierte Gesundheitskommission des Nationalrates Krankheit noch teurer machen: Die Grundfranchise soll sofort von 300 auf 500 Franken steigen und alle Franchisen zukünftig automatisch an die Kostenentwicklung angepasst werden. Damit nicht genug, will die Kommission sogar Knebelverträge einführen: Wer eine höhere Franchise wählt, soll nur noch alle drei Jahre die Police wechseln dürften. Im Extremfall hiesse dies für (überraschend) schwer erkrankte Versicherte, dass sie alleine für die Franchise 7500 Franken aus der eigenen Tasche bezahlen müssten. Im Sommer sorgte die Chefin der grössten Schweizer Krankenkasse CSS, Philomena Colatrella, für Kopfschütteln, als sie eine Franchise von 10.000 Franken für alle vorgeschlagen hat. Davon ist der aktuelle Vorschlag nicht mehr weit entfernt. Wer solche Forderungen stellt, soll ehrlich sein und gleich die Abschaffung der Grundversicherung verlangen.

Stoppen wir die Lobbyisten

Für den SGB ist klar: Das Schweizer Gesundheitswesen ist bereits heute maximal unsolidarisch. Eine Erhöhung der Kostenbeteiligung kommt deshalb nicht in Frage. Der Nationalrat muss in der Wintersession die Krankenkassenlobby zurückpfeifen und die obengenannten Gesetzesprojekte versenken.

Aber auch der Bundesrat ist seit der Wahl von "Kranken-Cassis" dabei, sich gesundheitspolitisch ins Abseits zu spielen: So fordert er in einem kürzlich publizierten Bericht etwa die "Kantonalisierung" der Prämienverbilligungen, bzw. den Rückzug des Bundes aus der Finanzierung dieses einzigen Instrumentes einer sozialen Korrektur. Was das bedeuten würde, ist klar: Die Gelder für die Prämienverbilligungen würden noch weiter gekürzt, obwohl es nach den endlosen Sparrunden in den Kantonen schon lange keinen Spielraum mehr nach unten gibt.

Wenn er denn sparen will, soll der Bundesrat dies beispielsweise bei den in der Schweiz horrend hohen Medikamentenpreisen tun. Tatsächlich hat er dazu nun endlich einen Vorschlag präsentiert - der leider bereits im Vorfeld massiv gestutzt wurde, diesmal von der Pharmalobby. Auch das muss im Parlament korrigiert werden.

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Reto Wyss

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