AHV und der Pensionskassen finanzieren sich letzlich aus derselben Quelle - und warum Banken und Pensionskassenvertreter kein Interesse daran haben, dass sich die Bevölkerung dessen bewusst ist

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Blog Daniel Lampart

In der Wirtschafts- und Sozialpolitik gibt es ein paar grundlegende Irrtümer oder Falschdarstellungen, die sich nicht nur hartnäckig halten. Sondern die auch aus einer politischen Interessenpolitik immer wieder gepflegt werden. Dazu gehört nicht nur die falsche Behauptung, dass der Schweizer Staat verschuldet sei. Sondern auch das Zelebrieren des 3-Säulensystems in der Altersvorsorge, wo sich die Finanzierung der einzelnen Säulen grundsätzlich unterscheiden soll: Die AHV finanziere sich über laufende Beiträge (Umlageverfahren), während die 2. Säule auf individuellen Ersparnissen und Kapitalerträgen basieren würde (Kapitaldeckungsverfahren).

Doch bereits die Realität in den Pensionskassen zeigt, dass diese nicht individuelle Konten führen und für jeden Versicherten individuell Anlagen tätigen und verkaufen. Sondern die Einnahmen aus den Beiträgen werden teilweise angelegt, teilweise aber auch zur Finanzierung der laufenden Renten benötigt – je nach Lage der Kasse. Individuelle Konten wären völlig ineffizient. Wenn ein Arbeitnehmer vor Erreichen des Rentenalters stirbt, kommt sein Guthaben den überlebenden Versicherten zugute usw.

Aus einer übergeordneten ökonomischen Sicht ist jede Finanzierung der Altersvorsorge Umlage. Denn ein Land kann nur das ausgeben, was es auch laufend verdient. Oder mit einem Bild dargestellt: eine Kapitalanlage in einer Maschine ist nichts wert, wenn die Maschine nicht produziert bzw. gebraucht wird. Die Maschine selber kann man nicht konsumieren.

Berühmt ist die Schlussfolgerung des deutschen Soziologen Gerhard Mackenroth (Mackenroth-Theorem), dass Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren volkswirtschaftlich letztendlich dasselbe seien:

„Nun gilt der einfache und klare Satz, dass aller Sozialaufwand immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden muss. Es gibt gar keine andere Quelle und hat nie eine andere Quelle gegeben, aus der Sozialaufwand fließen könnte, es gibt keine Ansammlung von Periode zu Periode, kein ‚Sparen‘ im privatwirtschaftlichen Sinne, es gibt einfach gar nichts anderes als das laufende Volkseinkommen als Quelle für den Sozialaufwand […] Kapitalansammlungsverfahren und Umlageverfahren sind also der Sache nach gar nicht wesentlich verschieden. Volkswirtschaftlich gibt es immer nur ein Umlageverfahren.“

In offenen Volkswirtschaften wie der Schweiz gibt es leichte Abweichungen. Über Kapitalanlagen im Ausland kann die Schweiz theoretisch auch von der Wirtschaftsleistung anderer Länder profitieren. Das ist im Umlageverfahren, wo die Abgaben nur auf der inländischen Lohnsumme erfolgen können, nicht möglich.

Die grossen Unterschiede zwischen der AHV und der 2. Säule sind grundsätzlich nicht finanzierungsbedingt. Sondern sie betreffen die Leistungen. Die AHV hat klar definierte Leistungen und eine umverteilende Wirkung zwischen Einkommensklassen und Geschlechtern u.a. Die Pensionskassen hingegen haben zwar obligatorische Vorgaben. Doch die Leistungen hängen zu einem grossen Teil von der Entwicklung der Finanzmärkte ab. Bei tiefen Zinsen wächst das Vorsorgekapital weniger stark und die Renten sind geringer. Die Umverteilung zwischen den Einkommensschichten und den Geschlechtern ist wesentlich weniger stark.

Vor einer Woche hat der Nationalrat mit der Revision der 2. Säule (BVG) begonnen. Der Bundesratsvorschlag, der auf einen Kompromiss der Sozialpartner zurückgeht, enthält eine Umlagekomponente. Diese kostet 0.5 Lohnprozente – auf Löhnen bis ca. 850'000 Fr. Sie wird als Fixbetrag pro Kopf an künftige RentnerInnen ausbezahlt (zuerst 200 Fr./Mt., später dann 100 Fr./Mt.). Damit sollen einerseits die Renten nach der Revision garantiert werden. Andererseits erhalten Teilzeitarbeitende und Geringverdienende einen Rentenzustupf zu einem guten Preis-Leistungsverhältnis. Die Umlage ist im gegenwärtigen Nullzinsumfeld günstiger als der Umweg über Kapitalanlagen.

Die Pensionskassenvertreter, aber auch die Banken und die AXA Versicherung machen nun Fundamentalopposition. Sie argumentieren, dass die Umlagekomponente «systemfremd» sei. Dabei würden sie besser ihre wahren Motive offenlegen. Die Banken mit ihren hohen Löhnen, müssen mehr bezahlen, als sie von der Umlagekomponente profitieren. Zudem ist sie geschäftsschädigend. Denn zu ihrer Finanzierung braucht es keine Anlagen. Banken, Versicherungen – aber auch die gut bezahlten Pensionskassenmanager – haben nichts davon.

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Gabriela Medici

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